Plot-Armor in Homebrew D&D und wie man sie überwinden kann

Lesedauer 4 Minuten

Ich bin ein großer Fan der Charaktere meiner Spieler:innen, welche Teil unserer mittlerweile knapp drei Jahre andauernden Homebrew-Kampagne sind. Darum schmerzt es umso mehr, wenn einer dieser Charaktere das Zeitliche segnet. Doch vor wenigen Tagen ist mir eine Sache aufgefallen. Noch als veröffentlichtes Abenteuer Die verlorenen Minen von Phandelver gestartet, hat sich die Kampagne schnell in die unsicheren Homebrew-Gewässer navigiert. Unsicher möchte man meinen, doch wie sich schließlich herausstellt, ist die Lebenserwartung der Charaktere seitdem immens gestiegen.

In den ersten 9 Episoden unserer Kampagne sind zwei Charaktere gefallen. Das waren die ersten und letzten Tode – auch nach über 50 weiteren Episoden. Da beschleicht einen doch die Frage: Gebe ich meinen Spieler:innen unterbewusst Plot-Armor?

Das wichtigste Vorweg genommen. Nein, ich habe nicht vor, nun systematisch die Charaktere meiner Spieler:innen in tödliche Gefahrensituationen zu bringen. In diesem Artikel soll es um das Warum gehen und wie man als Spielleitung, wenn man sich in einer ähnlichen Situation wiederfindet, diesen Umstand überwinden kann.

Vom sicheren Hafen abwärts

In veröffentlichten Kampagnen wird der Spielleitung eine Kampagnen-Umgebung präsentiert mit all ihren NPCs, Monstern, Quests und Geheimnissen. Den Spielenden steht es dabei frei, welchen Quests sie nachgehen. Das Spiel zu leiten ist weniger aufwändig, weil schon alles vorgegeben ist. Wählt die Gruppe in ihrer Unwissenheit eine zu schwere Quest und es kommt dazu, dass in dem daraus resultierenden Kampf ein oder mehrere Charaktere das Zeitliche segnen, kann sich die Spielleitung zurücklehnen und sagen: „Ich habe nur getan, was im Buche steht.“ Aus der Sicht der Spielenden, war die Schwierigkeit des Gegners purer Zufall und eine Laune des Schicksals.

In Homebrew-Kampagnen arbeitet die Spielleitung nicht die gesamte Welt bis in letzte Detail aus, bevor die erste Episode gespielt wird. Wie im Dungeon Masters Guide und von den allermeisten Spielleitungen gepredigt, sollte beispielsweise eine Stadt oder ein bestimmter Dungeon nur dann spezifiziert werden, wenn er für die Geschichte relevant wird.

Aus diesem Umstand ergibt sich, das kein „vom Weg abkommen“ im klassische Sinne existiert. Zumindest nicht wie man es von veröffentlichten Kampagnen kennt. Jeden Weg, den die Spielenden einschlagen, ist der richtige. Denn alle anderen Wege wurden zu diesem Zeitpunkt nicht weiter ausgearbeitet – sie lagen noch im dichten Nebel der Ungewissheit. Dass finale Bosskämpfe spannend und tödlich sein müssen, davon ist schließlich nicht die Rede.

Die Rede ist von Kämpfen die auf dem Weg zum Finale geschehen. Begegnungen bei Reisen durch die Wildnis oder in den Gassen einer Stadt. Die Kämpfe, welche daraus resultieren, dass man den Auftrag einer vertrauenswürdigen Gestalt annimmt, welche nichts mit dem Main-Plot zu tun hat.

Großer Macht folgt große Verantwortung

Nimmt man an, die Spielenden einer Homebrew-Kampagne entscheiden sich, eine nebensächliche Quest anzunehmen, um am Ende in einem blutigen Kampf gegen einen übermächtigen Gegner mehrere Charaktere zu Grabe zu tragen. Ein ähnlicher Fall, wie zu Anfang am Beispiel einer veröffentlichten Kampagne beschrieben. Doch in diesem Fall richten sich die Augen zwangsweise auf die Spielleitung. Die Kritik wäre zum Beispiel, dass der Kampf viel zu schwierig gewählt worden sei, schließlich war das nur eine unwichtige Nebenquest. Zusätzlich könnte die Vermutung nahe liegen, dass die Spielleitung absichtlich die Charaktere hat sterben lassen. Sei es aus Willkür oder mutmaßlich fälschlichem Narrativ. Das wären Konflikte, welchen sich niemand freiwillig aussetzen möchte. Doch wo eine Basiseigenschaft von veröffentlichte Kampagnen solche Gedanken im Keim erstickt, ist bei Homebrew ein Stück Wahrheit nicht von der Hand zu weisen.

Denn ultimativ entscheidet die Spielleitung über die Schwierigkeit des Kampfes bei Homebrew-Kampagnen. Mit der Wahl eines tödlichen Kampfes, geht sie das Risiko ein, dass ein oder mehrere Spielende ihren Charakter verlieren werden. Dass solche Tragödien nicht stattfinden, wird sicherlich auch dadurch begünstigt, dass die wenigsten sich bei den Vorbereitungen spontan dazu entscheiden, ihren Spieler:innen einen tödlichen Gegner entgegen zu stellen, der droht ihre Gruppe aufzureiben. Worin wäre da der Spaß?

Dadurch dass der Spielleitung in Homebrew die Verantwortung für Charaktertode übernimmt, ist es nur verständlich, dass die Überwindung tödliche Kämpfe einzubauen groß ist. Zusätzlich möchte die Spielleitung sich vielleicht auch nicht von Ideen trennen, welche sie auf lange Sicht für einzelne Charaktere oder die Gruppe im Sinn hatte. Die Charaktere der Spieler:innen werden zugunsten des Zusammenspiels, Spielspaßes, Zeitdrucks und Narrativ mit Samthandschuhen behandelt – Plot-Armor – bewusst oder unbewusst.

Verlust von Kontrolle

Um Plot-Armor zu überwinden und zukünftig zu vermeiden, sollten zwei Punkte behandelt werden. Zum einen muss man einen Weg finden, dass man als Spielleitung besser mit der Situation umgehen kann, wenn Charaktere aufgrund der eigenen Entscheidung sterben. Zum anderen ist es wichtig, die Spieler:innen über die zukünftigen Änderungen und ihre Folgen nicht nur in Kenntnis zu setzen, sondern ihre Zustimmung zu erhalten.

Das Schlüsselwort um Plot-Armor zu negieren ist Koinzidenz. Grundlegend geht es dabei darum, ein wenig Kontrolle über das, was mit den Charakteren passiert, abzugeben. Zufallstabellen für Kämpfe eignen sich hervorragend dafür. Auch hilft es die Schwierigkeit eines Kampfes an sich zu erwürfeln. Koinzidenz ist im realen Leben allgegenwärtig. Manchmal hat man Glück, mal Pech. Mal steht einem ein leichter Kampf bevor, mal ein schwieriger. Das wichtigste hierbei ist nur, dass zwischen Spielleitung und Spieler:innen ein Einverständnis existiert, dass der Verlauf der Geschichte und die Schwierigkeit der Kämpfe zukünftig ein Stück weit vom Zufall abhängig sind, der selbst von der Spielleitung nicht beeinflusst werden kann.

Allen muss bewusst werden, dass nicht jeder Charaktertod heroisch und dramaturgisch passend sein kann, wenn man gewillt ist Plot-Armor zu vermeiden. Die Gewissheit dass der Zufall wieder mehr Einfluss über die Kampagne erhält, schafft eine gegensätzliche Ungewissheit darüber, wem ein tragischer Charaktertod zu verdanken ist, den zur Nüchternheit verpflichteten Würfeln oder dem diabolischen Verstand der Spielleitung.

Nachwort

Das sind natürlich wieder Gedanken aus meiner eigenen Perspektive. Trotzdem habe ich versucht, sie möglichst allgemeingültig zu formulieren, auch wenn sie nur für Spielleitungen interessant sein dürften, welche schon länger Hombrew-Kampagnen leiten. Gerne lass ich mich vom Gegenteil überzeugen. Ich hoffe, dass ich ein paar gute Denkansätze geben konnte, die euch zu mehr Spielspaß verhelfen.

Bildnachweis: Miguel Coimbra, Lee Pfenniger.